Mike Bahmann steht vor dem Hubschrauber, mit dem die Leitungen abgeflogen werden.
Guido Werner/TEN

Hoch hinaus für die Versorgungssicherheit

Alljährlich überprüft Mike Bahmann per Hubschrauber für die TEN Thüringer Energienetze die Hochspannungsleitungen im Versorgungsgebiet.

Mit durchdringendem Dröhnen erschallen die Motoren des Airbus AS 350 Helicopters, bevor sich der Hubschrauber langsam in den Himmel erhebt. Neben dem Piloten hat TEN-Ingenieur Mike Bahmann Platz genommen. Zwei Wochen lang tauscht er seinen Platz am Schreibtisch mit dem Cockpitsitz des Hubschraubers. Vor den beiden Männern liegt eine verantwortungsvolle Aufgabe, die ständig höchste Konzentration erfordert: Aus luftiger Höhe werden in den kommenden Tagen die 750 Kilometer des nördlichen Thüringer Hochspannungsnetzes begutachtet und auf mögliche Schäden überprüft.

Einer flog übers Vogelnest

Bereits seit 1993 führt die TEN als Betreiber des insgesamt 2.900 km Kilometern langen 110-kV-Hochspannungsnetzes regelmäßige Inspektionen per Hubschrauber durch. Für die Netzsicherheit ist das enorm wichtig: Allein von Ausfällen der 110 kV-Leitungen wären rund 50.000 Haushalte betroffen. Deshalb ist eine regelmäßige Kontrolle der Kabel, Isolatoren und des umstehenden Baumbestands unerlässlich. Ein einziges Vogelnest kann zu einem Überschlag des Stroms vom Leitseil auf den Mast führen und Schäden im Umspannwerk verursachen. Blitzeinschläge oder Vereisungen im Winter können ebenfalls Spuren hinterlassen.

Augen auf

Das zuverlässigste Prüfmittel ist dabei auch in Zeiten technischen Fortschritts das menschliche Auge:

Das Auge kann Tiefenschärfe deutlich besser wahrnehmen als eine hochauflösende Kamera. Schäden können so deutlich schneller erkannt werden, die Trefferquote ist sehr hoch.

– Mike Bahmann

Zusammen mit Hubschrauber-Pilot und Kollegen bespricht Mike Bahmann die Route für die Leitungsbefliegung.
Guido Werner/TEN

Zusammen mit Hubschrauber-Pilot und Kollegen wird die Route besprochen.

Zusammen mit Hubschrauber-Pilot bespricht Mike Bahmann die Route für die Leitungsbefliegung mit dem Hubschrauber.
Guido Werner/TEN

Um alle Schadstellen zu entdecken, sind neben geschultem Auge und wachsamem Blick auch solide Flugkünste nötig: Mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 20 km/h wird jede Trasse abgeflogen, dabei muss der Helikopter auf fünf Meter an die Seile heranfliegen. Die eingesetzten Piloten, in diesem Jahr von der Spezialfirma meravo, müssen mindestens 1.000 Flugstunden absolviert haben, um den anspruchsvollen Job übernehmen zu dürfen. Belastbarkeit und starke Nerven gehören dabei zu den Grundvoraussetzungen. Mit dem diesjährigen Piloten, dem Österreicher Paul Buchner, ist Mike Bahmann vor drei Jahren schon geflogen – das nötige Vertrauen ist also bereits vorhanden.

Schnelle Sofort-Hilfe

Werden Schäden entdeckt, erledigt Mike Bahmann wichtige Schritte gleich vor Ort: Mit der Kamera wird die betreffende Stelle fotografiert, die Position notiert und alle relevanten Umgebungsdaten aufgenommen. Zugleich wird die gesamte Reparatur geplant: Wie gehen wir vor? Welches Werkzeug setzen wir ein? Wie viele Personen benötigen wir? Welche Priorität hat die Reparatur? Vor allem beschädigte Seile müssen unverzüglich repariert werden. Für komplexere Schäden hat Mike Bahmann noch weitere Hilfen im Gepäck: Ein Spezial-Multicopter fasst mithilfe von Infrarot- und UV-Kameras betroffene Stellen genau ins Auge.

April bietet ideale Bedingungen

Was für Außenstehende nach Abenteuer klingt, gehört für Mike Bahmann mittlerweile fast zum Berufsalltag. Seit 1994 geht es für ihn einmal im Jahr für die Leitungsbefliegungen hoch hinaus. Dabei wechseln die Einsatzgebiete im Zwei-Jahres-Rhythmus. Denn das Netzgebiet der TEN ist in die zwei Bereiche Mitte-Nord-Thüringen und Süd-Ost-Thüringen aufgeteilt. Jedes Jahr im April wird einer der beiden Bereiche abgeflogen, die genaue Route ist wetterabhängig. Auf der Strecke, die im jeweiligen Jahr nicht aus der Luft inspiziert wird, erfolgt die Begehung zu Fuß – wegen der hartgefrorenen Böden meist im Winter. Bis zu acht Mitarbeiter sind für die Begehungen nötig – natürlich dauern diese Einsätze deutlich länger.

Der Helikoptereinsatz lohnt sich erst ab einer Flugdauer von sechs bis sieben Stunden. Der April ist für die Leitungsbefliegung deshalb ein idealer Monat. „Auch ist die Landwirtschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht so weit, als das durch den Luftdruck des Helikopters die Mais- oder Getreidefelder Schaden nehmen können", erklärt der Techniker. Auch in Waldschneisen ist wegen des noch spärlichen Laubs die Sicht im Frühjahr noch deutlich besser.

Mike Bahmann inspiziert die Leitungen vom Hubschrauber aus.
Guido Werner/TEN

Mike Bahmann inspiziert die Leitungen vom Hubschrauber aus.

Mit Hilfe des Helikopters werden die Leitungen überprüft.
Guido Werner/TEN

Adrenalinkick unterm Heli

Zum Job von Mike Bahmann gehört neben der eigentlichen Tätigkeit auch das genaue Abwägen: Denn nicht jedes Vogelnest muss zwangsläufig entfernt werden.

Viele Vogelnester bleiben erhalten, solange sie nicht mit Isolatoren oder Seilen in Berührung kommen. Manche Vogelpaare nisten inzwischen schon mehrere Jahre auf unseren Masten.

– Mike Bahmann

Auch die Konstruktion der Mittelspannungsleitungen dient dem Vogelschutz: Die Abstände der Leitungen sind so groß gewählt, dass Vögel dazwischen hindurch fliegen können. Trotz mancher Turbulenzen hat Mike Bahmann übrigens mit seinem Platz im Cockpit mittlerweile einen vergleichsweise angenehmen Arbeitsplatz: Bei manchen Helikopter-Einsätze hängen die Monteure an einem Korb unter dem Helikopter. „Früher habe ich das auch selbst gemacht, heute übernehmen das die jüngeren Kollegen.“ Bei diesen ist die windige Arbeit indes sehr beliebt: „Die Kollegen reißen sich förmlich um die Gelegenheit, mal vom Hubschrauber aus Reparaturen vorzunehmen.“

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